Was ist Osteopathie?

Die Osteopathie ist ein ganzheitliches manuelles Diagnose- und Therapieverfahren, mit dessen unterschiedlichen Methoden sich der Bewegungsapparat, die inneren Organe sowie das Zentralnervensystem behandeln lassen. 

Im Sinne des amerikanischen Arztes Dr. Andrew Taylor Still (1828 - 1917), dem Begründer der Osteopathie, bedeutet der Begriff Osteopathie Leiden, bedingt durch die Knochen. Osteon ist das griechische Wort für Knochen und steht in diesem Falle stellvertretend für das Knochengerüst mit all seinen Weichteilgeweben (Muskeln, Bändern, Sehnen, Bindegewebe, Gefäßen, Nerven etc.); Pathos heißt übersetzt Leiden, Schmerz. 

Dr. Stills Konzept wurde in den vergangenen 130 Jahren - entsprechend neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse - beständig weiterentwickelt. Die von Dr. Still formulierten Prinzipien bilden jedoch bis heute das Fundament, die gleichermaßen als Wissenschaft, Philosophie und Kunst zu verstehen ist.

Das therapeutische Anwendungsspektrum ist im Laufe ihrer Geschichte um wesentliche Bereiche ergänzt worden, d. h. die Osteopathie betrachtet heute nicht nur die Beziehung zwischen Körpermechanik und Körperfunktion, sondern sie berücksichtigt im Hinblick auf eine Erkrankung auch den funktionellen Zusammenhang mit den inneren Organen bzw. dem Gefäß- und Nervensystem.

Demnach werden heute in der Osteopathie drei Systeme unterschieden: 

  • Parietale Osteopathie zur Behandlung des Bewegungsapparates (Knochen, Muskeln, Bänder, Sehnen, Gelenke etc.)
  • Viszerale Osteopathie zur Behandlung der inneren Organe
  • Craniosacrale Osteopathie zur Behandlung des Zentralnervensystems

Prinzipien der Osteopathie

Die grundlegenden Einsichten von Dr. Andrew Taylor Still bilden bis heute das Fundament der Osteopathie:

1. Der Körper ist eine Einheit und funktioniert als Ganzes.
Während der embryonalen Entwicklung entsteht der Organismus aus den drei Keimblättern einer Zelle. Aus dem inneren Keimblatt (Entoderm) geht das Organsystem, aus dem mittleren Keimblatt (Mesoderm) das Muskel-Skelett-System und aus dem äußeren Keimblatt (Ektoderm) gehen das Nervensystem und die Haut hervor.
Über das jede einzelne Zelle umgebende Bindegewebe sind alle Körperstrukturen miteinander verbunden (System der Grundregulation nach Pischinger). Auch über Muskeln, Sehnen, Bänder, Gefäße und Nerven stehen die verschiedenen Strukturen miteinander in Verbindung. Es entstehen so genannte kinetische Ketten, d. h. es  können sich z. B. Blockierungen im Kieferbereich negativ auf das Becken und die Hüfte auswirken. 

2. Körper und Psyche sind untrennbar miteinander verbunden. 
Die Osteopathie betrachtet den Menschen ganzheitlich, d. h. es werden die Wechselwirkungen von strukturellen, psycho-emotionalen und mentalen Faktoren berücksichtigt. So kann z. B. ein Unfall neben der Verletzung des physischen Körpers auch psychische Auswirkungen haben, ebenso kann ein psychisches Trauma Einfluss auf die körperliche Verfassung haben. Die Osteopathie sieht den Menschen auch in seiner Beziehung zu anderen Menschen und seiner Umwelt.

3. Der Körper verfügt über Selbstheilungskräfte.
Der menschliche Organismus verfügt über komplexe miteinander vernetzte Regelsysteme und damit über die Fähigkeit zum Selbsterhalt und zur Selbstheilung. Reize, die seine Ordnung stören, reguliert der Körper normalerweise entsprechend aus, um das Gleichgewicht seines inneren Milieus (Homöostase) wieder herzustellen. Existiert jedoch ein Störfeld im Körper, kann das die Regulationsfähigkeit des Körpers stören, d. h. es kommt zu Fehlreaktionen, die letztlich dazu führen, dass Heilungsprozesse be- oder sogar verhindert werden.

4. Es besteht eine Wechselbeziehung zwischen Struktur und Funktion des Körpers.
Der Körper besteht aus Gewebestrukturen, deren Anatomie und Physiologie untrennbar miteinander verbunden sind.

5. Leben ist Bewegung.
Alle Körpergewebe befindet sich in ständiger Bewegung und Erneuerung, ein wesentliches Kennzeichen und Voraussetzung für Leben und Gesundheit. Jede Sekunde werden mehrere Millionen Zellen ab- und wieder aufgebaut und in jeder Zelle finden mehrere Zehntausende chemische und physikalische Reaktionen pro Sekunde statt. Die freie Beweglichkeit der verschiedenen Körperstrukturen spiegelt sich in Struktur und Funktion des Körpers wider.

Die Osteopathie ist gleichermaßen Wissenschaft, Philosophie und Kunst.

Wissenschaft

Die Osteopathie basiert auf genauen Kenntnissen der Anatomie, Physiologie, Neurologie und Biochemie, wobei den Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Systemen (Muskel-Skelett-System, Herz-Kreislauf-System, Atmungssystem, Verdauungssystem, Nervensystem, Hormonsystem etc.) besondere Bedeutung beigemessen wird. Im Zuge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt sich die Osteopathie fort.

Philosophie

Die Osteopathie geht von einem ganzheitlichen Menschenbild aus, d. h. Körper, Geist und Seele werden als miteinander verbunden und in Wechselbeziehung zueinander stehend betrachtet und intuitiv erfasst. 

Kunst

Im Hinblick auf das feine Tastvermögen der Hände, die als einziges diagnostisches und therapeutisches Mittel eingesetzt werden, wird die Osteopathie als Kunst verstanden. Die Hand, eines der am höchsten entwickelten Organe aller Lebewesen, besitzt Rezeptoren für verschiedene Empfindungen, wie z. B. Druck, Spannung, Berührung, Vibration, Kitzel. Allein im Bereich der Fingerbeere befinden sich auf einem Quadratzentimeter etwa 100 verschiedene Druckrezeptoren. Durch den Druckreiz werden im Gehirn mehrere Zehntausend Nervenzellen aktiviert, die diesen Reiz entsprechend verarbeiten.

 

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